Wildtiere erlauben neue Erkenntnisse über das Hautmikrobiom

(18.06.2020) CAU-Forschungsteam beschreibt erstmals Unterschiede in der Bakterienbesiedlung der Haut bei Haus- und Labormäusen als Grundlage künftig verbesserter dermatologischer Modelle

In den vergangenen Jahrzehnten hat unter dem schädlichen Einfluss des westlichen Lebensstils die Vielfalt der mikrobiellen Besiedlung des Körpers deutlich abgenommen. Dieses ‚verarmte’ Mikrobiom hat beim Menschen zu einem starken Anstieg sogenannter Umwelterkrankungen geführt. Diese meist entzündlichen Krankheitsbilder betreffen häufig die Haut, die als Barriereorgan direkt mit der Umwelt im Kontakt steht.

Dort treten sie zum Beispiel als Schuppenflechte oder Neurodermitis in Erscheinung.


Professor John Baines und sein Team vom Institut für Experimentelle Medizin an der CAU lieferten den ersten systematischen Vergleich des Hautmikrobioms bei Haus- und Labormäusen.

Ein wichtiges Ziel der Mikrobiomforschung sind daher künftige therapeutische Eingriffe zur Wiederherstellung einer gesunden Zusammensetzung der mikrobiellen Besiedlung des Körpers und speziell der Haut. Dazu nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler häufig die in ihrer Immunregulation dem Menschen ähnliche Hausmaus als Modellorganismus, um zunächst einen solchen gesunden Normalzustand des Mikrobioms als Ausgangspunkt zu definieren.

Problematisch ist dabei jedoch, dass die mikrobielle Besiedlung der Labortiere von der ihrer unter natürlichen Bedingungen lebenden Artgenossen abweicht.

Um dennoch Aussagen über mögliche generelle Eigenschaften der Mikrobiomzusammensetzung treffen zu können, hat nun ein Forschungsteam von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) erstmals einen systematischen Vergleich des Hautmikrobioms bei Haus- und Labormäusen vorgenommen.

Die Forschenden aus der Arbeitsgruppe Evolutionäre Medizin um Professor John Baines am Institut für Experimentelle Medizin der CAU konnten zeigen, dass die generelle Zusammensetzung der Mikroorganismen bei wildlebenden Tieren und Labormäusen unabhängig von den radikal unterschiedlichen Lebensbedingungen große Übereinstimmungen zeigt, was auf eine starke Kontrolle der mikrobiellen Besiedlung durch das Wirtslebewesen hindeutet.

Im Detail zeigen wildlebende Mäuse in Abhängigkeit von der geographischen Herkunft allerdings eine charakteristische und von den Labortieren insbesondere innerhalb der Bakteriengattung Staphylococcus abweichende Zusammensetzung des Hautmikrobioms, die bei den Wildtieren deutlich vielfältiger ist.

Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Kieler Forschenden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ kürzlich in der Fachzeitschrift The ISME Journal.

Globale Übereinstimmung der Hautmikrobiome

Die Haut bildet eine zentrale physische und immunologische Barriere, um den Körper gegenüber Umwelteinflüssen abzuschirmen. Diese Grenzschicht stellt aber zugleich ein in sich dynamisches Ökosystem dar, das von einer großen Vielfalt mikrobieller Symbionten besiedelt ist.

Welche Faktoren die Zusammensetzung dieser Gemeinschaft steuern, ist bislang weitgehend unbekannt. Um die Gesetzmäßigkeiten dieser Regulation zu verstehen, eignet sich besonders die Untersuchung von wildlebenden Organismen, die im Kontakt mit wechselnden Umweltbedingungen ein ausbalanciertes Mikrobiom aufrechterhalten müssen.

Das Kieler Forschungsteam sammelte daher mehr als 200 wildlebende Mäuse an rund 30 verschiedenen ländlichen Orten in einem 270 Quadratkilometer großen Gebiet im Südwesten Frankreichs. Ihnen entnahmen sie Proben aus der Haut der Ohren und verglichen sie mit Material von Labormäusen von mehreren verschiedenen Standorten, die allesamt aus hygienischen Laborumgebungen entstammen.

Die Analyse der darin enthaltenen mikrobiellen Gemeinschaften zeigte, dass trotz drastischer Unterschiede in den Umweltbedingungen, sowohl Wild- und als auch Labormäuse insgesamt ähnliche Zusammensetzungen von Mikroben beherbergen.

„Diese globale Übereinstimmung deutet darauf hin, dass trotz eines großen Pools zur Besiedlung infrage kommender Mikroorganismen in der Umwelt sich vor allem eine relativ ähnliche und stabile Zusammensetzung von Kleinstlebewesen auf der Haut der Tiere ansiedelt“, betont Dr. Meriem Belheouane, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Baines’ Arbeitsgruppe.

„Dies geschieht unabhängig von den Lebensbedingungen und unterliegt offenbar einer Auswahl durch das Wirtslebenwesen, das einer bestimmten Gruppe charakteristischer Mikroben einen spezifischen, für sie zugeschnittenen Lebensraum bietet“, so die Erstautorin weiter.

Auf der anderen Seite weisen wilde Mäuse einen deutlichen höheren Anteil einzigartiger Bestandteilen des Mikrobioms auf als Labormäuse. Dies deutet darauf hin, dass es sich dabei um bestimmte, von der geographischen Lage abhängige Mikroorganismen handelt, die nur an einem bestimmten Ort vorkommen und bestimmte Funktionen innerhalb des Mikrobioms übernehmen.

Dieser Einfluss der örtlichen Lage zeigt sich auch in einer zunehmenden Abweichung der Mikrobiomzusammensetzung mit zunehmender Distanz der Lebensräume wildlebender Mäuse.

Wichtiges Modell für die Erforschung von Hautkrankheiten

Insgesamt liefert die nun vorgelegte Arbeit wichtige Grundlagen für ein verbessertes Verständnis des Hautmikrobioms - im gesunden und kranken Zustand. Sie ermöglicht insbesondere durch die Untersuchung der Unterschiede bei Wild- und Labormäusen genauere Einblicke in das Zustandekommen der mit den Mäusen assoziierten mikrobiellen Gemeinschaften.

Auf dieser Grundlage könnten künftig unter anderem Erklärungen möglich sein, warum wilde Mäuse Immunmerkmale aufweisen, die dem Menschen ähnlicher sind als jene der Labortiere.

„Unsere Beobachtungen könnten dabei helfen, tierische Modellsysteme zum besseren Verständnis von Hauterkrankungen zu verbessern“, betont Baines, der auch Vorstandsmitglied im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) ist.

„Die neuen Erkenntnisse können so dazu beitragen, die biomedizinische Hautforschung voranzubringen und bilden einen weiteren Schritt in Richtung künftiger therapeutischer Eingriffe, die auf dem Hautmikrobiom basieren“, so Baines weiter.


Weitere Meldungen

PURINA PRO PLAN VETERINARY DIETS CANINE OM OBESITY MANAGEMENT

Optimiertes Gewichts-Management bei Hunden

Studien zeigen, dass die diätetische Kalorienrestriktion die wichtigste Methode zur Unterstützung der Adipositaskontrolle ist
Weiterlesen

Studienteilnehmende gesucht: Probleme bei der Gewichtsreduktion beim Hund

Studienteilnehmende gesucht: Probleme bei der Gewichtsreduktion beim Hund

Für eine Studie der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München zum Einfluss des Darm-Mikrobioms auf den Abnehmprozess des Hundes werden Studienteilnehmende gesucht
Weiterlesen

Prof. Simone Sommer umgeben von wilden Erdmännchen; Bildquelle: Dr. Nadine Müller-Klein

Klimawandel verändert Darm-Mikrobiom der Wildtiere: Erdmännchen erkranken häufiger und sterben früher

Welche Auswirkungen der Klimawandel auf wilde Erdmännchen in der Kalahari hat, haben Biologinnen und Biologen des Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm anhand von Kotproben untersucht
Weiterlesen

Cluster of Excellence 'Microbiomes Drive Planetary Health'; Bildquelle: FWF/Daniel Novotny

Cluster of Excellence "Microbiomes Drive Planetary Health" geht an die Universität Wien

30 Wissenschafter*innen um den Universität Wien-Mikrobiologen Michael Wagner bündeln in einem Cluster of Excellence des FWF ihre Kompetenzen
Weiterlesen

Podcast "Der Darm Doc

Neue Podcastfolge „Der Darm Doc“ – Wie das Mikrobiom Verhalten steuert

Viele Milliarden Bakterien leben im Darm und helfen bei der Zerlegung des Futters. Dieses Mikrobiom versorgt den Organismus mit lebensnotwendigen Nährstoffen, die teilweise nur durch die Bakterien bereitgestellt werden können
Weiterlesen

Anhand der Analyse von 368 Stuhlproben von 38 verschiedenen Tierarten haben die CAU-Forschenden die Einflüsse von Verwandtschaftsverhältnissen und äußeren Lebensbedingungen auf die Mikrobiom-Zusammensetzung untersucht.; Bildquelle: Dr. Corinna Bang / A. Starke

Was Zootiere über ein gesundes Mikrobiom lehren

Umfangreiche Vergleichsstudie an der CAU zur Zusammensetzung der Bakterienbesiedlung von Zootieren liefert neue Erkenntnisse über den Verlust an mikrobieller Vielfalt
Weiterlesen

Erstautor Dr. Peter Deines untersuchte, welche grundlegenden Prinzipien bei der Ansiedlung des Mikrobioms in einem Organismus wirken.; Bildquelle: Peter Deines

Grundlegenden Prinzipien beim Zustandekommen des Mikrobioms

CAU-Forschungsteam untersucht am Beispiel des Süßwasserpolypen Hydra: die Besiedlung mit Mikroben hängt vom Wirt ab
Weiterlesen

Bacteroides thetaiotaomicron; Bildquelle: Jürgen Berger/Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie

Darmbakterien beeinflussen als Lieferanten für wichtige Fette den Stoffwechsel

Dem Mikrobiom im Darm schreiben Wissenschaftler eine wichtige Bedeutung für die Gesundheit zu. Welche Mechanismen im Einzelnen dahinterstecken, ist bislang jedoch weitgehend unbekannt
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen