Software zur Gesichtserkennung bei Menschenaffen

(05.08.2011) Um vom Aussterben bedrohte Menschenaffen besser schützen zu können, erforschen Wildhüter die Gewohnheiten der verbliebenen Bestände. Das ist mühevolle Puzzlearbeit, denn die Tiere sind schwer auseinanderzuhalten.


Die neue Software durchsucht Fotos und Videosequenzen, analysiert die Affengesichter und ordnet sie einzelnen Tieren zu
Eine neue Software verspricht Abhilfe: Sie analysiert die Affengesichter und ordnet sie einzelnen Tieren zu.

Die Bilder der Videofalle sind vielversprechend: Mehrmals ist ein kräftiger junger Gorilla zu sehen – auf einem Baum, beim Streifzug durch den Wald, an einer Futterstelle.

Für den Parkmitarbeiter ein gutes Zeichen: Es deutet darauf hin, dass sich die Population in der Schutzzone erholt. Was er allerdings nicht weiß: Handelt es sich bei dem jungen Affen um ein und dasselbe Exemplar oder um verschiedene Männchen?

Die Information, wie viele Tiere sich in einem Areal aufhalten, ist entscheidend, um die vom Aussterben bedrohten Arten effektiv schützen zu können.

Die Parkmitarbeiter scheuen daher kaum einen Aufwand, um aussagekräftige Zahlen über die Population zu erhalten: Sie suchen Wälder nach Futter- und Sammelplätzen ab, lesen Spuren und versuchen, diese bestimmten Individuen zuzuordnen.

Darüber hinaus werten sie stundenlang Aufnahmen von Video- und Fotofallen aus – ein mühevolles und zeitaufwändiges Vorgehen, das zudem subjektiv und fehleranfällig ist.

Eine neue Software könnte den Wildhütern die Arbeit bald erleichtern: Sie durchsucht Fotos oder Videos nach Sequenzen, auf denen die Tiere zu sehen sind und ordnet die Bilder einzelnen Exemplaren zu.

Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Integrierte Schaltungen IIS und Digitale Medientechnologie IDMT sowie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie entwickeln das Verfahren im Projekt SAISBECO gemeinsam.

»Zuerst wird das Bildmaterial nach Aufnahmen gefiltert, auf denen überhaupt Gesichter der Tiere zu sehen sind«, erklärt Alexander Loos vom IDMT in Ilmenau. Diesen Part übernimmt eine Detektions-Software, die Forscher am IIS in Erlangen entwickelt haben.

Gesichter lassen sich damit auf Einzelbildern, aber auch auf Videostreams in Echtzeit detektieren. Loos und seine Kollegen entwickeln nun ein Modul, das die Gesichter den jeweiligen Individuen zuordnen soll. »Unsere Software analysiert mittels spezieller Algorithmen die Gesichter der Affen«, erklärt Loos.

Bislang setzen die Wissenschaftler dazu Erkennungsalgorithmen ein, die zur Analyse das gesamte Gesicht nutzen. Bei einem Datenpool von 24 Schimpansen des Leipziger Zoos, den die Max-Planck-Forscher zusammengestellt haben, lag die Erkennungsrate bereits bei 83 Prozent.

Voraussetzung für die gute Trefferquote ist die hohe Bildqualität der Fotos. »Die Algorithmen sind stark von äußeren Einflüssen abhängig«, erklärt Loos. »Bei schlechter Beleuchtung oder wenn Gesichter teilweise verdeckt sind, sinken die Erkennungsraten schnell auf unter 60 Prozent«.

Da es in freier Wildbahn ungleich schwerer ist, gute Aufnahmen zu bekommen, wollen die Ilmenauer Forscher jetzt noch weitere Algorithmen einfügen. Diese analysieren nicht das gesamte Gesicht, sondern gezielt bestimmte biometrische Merkmale – etwa Augen, Nase oder Mund.

Die neue Software wertet auch Audiosignale aus und ordnet sie unterschiedlichen Laut-Typen – etwa dem »Trommeln« oder Drohgeräuschen – zu.

Zum einen lässt sich so das Sozialverhalten der Tiere erforschen, zum anderen können die Individuen schnell identifiziert werden, die Forscher müssen nicht mehr das gesamte Aufnahmematerial anhören. Im nächsten Schritt wollen die Forscher ihre Datensets noch vergrößern.

Denn die Software »lernt« bei der Auswertung: Je mehr Bilder eines Individuums ihr Datenpool enthält, desto besser werden die Erkennungsraten. Darüber hinaus soll das Verfahren um ein weiteres Modul ergänzt werden: Es erkennt automatisch, was der Affe gerade tut. Dies wäre vor allem für Studien zum Sozialverhalten der Tiere interessant.



Weitere Meldungen

Lebensraum für Schimpansen wird für eine Eisenbahnlinie gerodet; Bildquelle: Genevieve Campbell

Abbau kritischer Rohstoffe bedroht Menschenaffen in Afrika

Eine neue Studie geht davon aus, dass die Bedrohung der Menschenaffen in Afrika durch den Bergbau bislang deutlich unterschätzt wurde. 
Weiterlesen

Gorilla; Bildquelle: Lara M. Southern/ozouga.org

Erstmals tödlicher Angriff von Schimpansen auf Gorillas beobachtet

Ein Forschungsteam der Universität Osnabrück und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie aus Leipzig hat erstmals tödliche Angriffe von Schimpansen auf Gorillas in freier Wildbahn beobachtet
Weiterlesen

CT/MRI-Daten eines Menschen (links), eines Schimpansen (Mitte) und eines Gorillas (rechts).; Bildquelle: J.L. Alatorre Warren, UZH

Hirn und Schädel entwickelten sich unabhängig voneinander

Das Gehirn des Menschen ist ungefähr dreimal so gross wie dasjenige eines Menschenaffen
Weiterlesen

Diese beiden Weibchen müssen bei Silberrücken Coriander bleiben, bis ihre Kinder entwöhnt sind.; Bildquelle: Marie Manguette/WCS-Congo

Wann Gorillaweibchen ihre Männchen verlassen

Wenn sich für den Silberrücken einer Gorillagruppe das Ende seiner Fortpflanzungszeit nähert, stehen die Weibchen vor einem Dilemma
Weiterlesen

Im Loango Nationalpark in Gabun haben Wissenschaftler eine Population von westlichen Flachlandgorillas dabei beobachtet, wie sie mit ihren Zähnen die harten Schalen von Nüssen aufbrechen.; Bildquelle: Martha Robbins

Gorillas als Nussknacker: Gorillazähne sind wohl stärker als bisher angenommen

Wissenschaftler haben im Rahmen einer Langzeitstudie eine Population von westlichen Flachlandgorillas dabei beobachtet, wie sie mit ihren Zähnen die harten Schalen von Coula edulis-Nüssen aufbrechen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen