Die Evolution der Paradiesvögel

(29.04.2019) Paradiesvögel sind eine Teilgruppe der Singvögel, deren Männchen für ihr farbenprächtiges Gefieder und ihr auffälliges, vielfältiges sexuelles Balzverhalten bekannt sind.

Ein internationales Forschungsteam um Qi Zhou vom Department für molekulare Evolution und Entwicklung der Universität Wien und KollegInnen der Zhejiang University of China sowie des Schwedischen Naturkundemuseums hat nun die Genome von insgesamt 11 Singvogelarten, darunter auch fünf Paradiesvogelarten, analysiert.

Universität Wien Mittels der Ergebnisse dieser umfangreichen Studie rekonstruierten sie die Evolution der Geschlechtschromosomen der Singvögel.

Vögel haben einen anderen Typ von Geschlechtschromosom als Säugetiere. Das heißt, weibliche Vögel besitzen ein Z-Chromosom und ein frauenspezifisches W-Chromosom, während Männchen zwei Z-Chromosomen haben. Das W-Chromosom ist viel kleiner und genarm, ähnlich dem Y-Chromosom des Mannes bei Menschen.

Durch Sequenzierung der weiblichen Singvogel-Genome enthüllten die ForscherInnen nun Details, wie Z- und W-Chromosomen in ihrer evolutionären Entwicklung getrennt wurden und welche Faktoren die Schicksale der Gene auf dem W-Chromosom bestimmen.

Junk-DNA erleichterte die Trennung von Geschlechtschromosomen

Geschlechtschromosomen sollten in den meisten Regionen keinen genetischen Austausch untereinander haben – das heißt, sie entwickeln sich entlang separater Entwicklungspfade, damit sich geschlechtsbestimmende Gene nicht von einem Geschlechtschromosom zum anderen rekombinieren und dadurch versehentlich im anderen Geschlecht auftauchen.

Die ForscherInnen zeigten, dass eine solche Unterdrückung der Rekombination zu vier Zeitpunkten zwischen den Singvogel-Sex-Chromosomen stattgefunden hat. Dies hat vier aufeinanderfolgende geschlechtsgebundene Regionen zu einem Gradienten des zeitlichen Divergenzmusters umgeformt, die als "Evolutionsschichten" bezeichnet werden.

Trotz der dramatisch unterschiedlichen Phänotypen aller existierenden 5.000 Singvogelarten, scheinen alle diese Entwicklungsgeschichte dieser Rekombination-Unterdrückungsereignisse gemeinsam zu haben.

Das besondere Augenmerk lag auf einer Familie repetitiver Elemente ("CR1-Transposon" genannt), vermutlich nicht-funktionelle DNA-Sequenzen, die sich an einem Mutations-Hotspot zwischen zwei benachbarten Evolutionsschichten massiv angesammelt haben.

Dies brachte die Hypothese auf, dass Junk-DNA den Rekombinationsverlust zwischen den Geschlechtschromosomen ausgelöst haben könnten und so getrennte Evolutionspfade ermöglichten.

Auf dem W-Chromosom überlebten nur Dosis-sensitive Gene

Nachdem die Rekombination auf dem W-Chromosom verloren gegangen ist (Z-Chromosomen können nur noch bei Männern rekombinieren), sind dort die Gene dem Auftreten schädlicher Mutationen hilflos ausgesetzt, die normalerweise durch Rekombination effektiv entfernt werden könnten. Heutzutage sind nur eine Handvoll Gene auf den Singvogel-W-Chromosomen funktionsfähig geblieben.

Die ForscherInnen stellten fest, dass die erhaltenen Gene tendenziell breiter oder stärker exprimiert sind als die verloren gegangenen Gene, verglichen mit Nicht-Vogelarten, wo beide Gengruppen noch vorhanden sind.

Dies weist darauf hin, dass die erhaltenen Gene wichtigere Funktionen haben als andere, und ein Verlust dieser Gene zu gravierend wäre, selbst wenn das Z-verknüpfte Gen bei Weibchen noch vorhanden ist, als dass die Spezies eine reduzierte Dosis tragen könnte.

Publikation

Dynamische Evolutionsgeschichte und Gengehalt von Geschlechtschromosomen über verschiedene Singvögel hinweg. Luohao Xu et al., Nature Ecology & Evolution
DOI: 10.1038 / s41559-019-0850-1




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