Fallbericht Hyperplastische Gingivitis

(18.10.2004) Vor 9 Monaten bemerkten die Besitzer von Angus, einer 5 jährigen liebenswerten Englischen Bulldogge, männlich kastriert, massive  Probleme in der Maulhöhle.

Der Hund litt an einer hochgradigen Zahnfleischentzündung und verlor 2 Zähne. Eine vom behandelndem Tierarzt verordnete Anitbiotikatherapie beruhigte die akute Entzündung, doch schon relativ bald nach der Medikation zeigten sich erneut Berschwerden (Rötung der Gingiva, verstärkte Salivation, Foetor ex ore).

Als Angus uns vorgestellt wird, ergibt die klinische Untersuchung eine für brachycephale Rassen (Engl. und franz. Bulldogge, Boxer, Bittbull, Staffordshire Terrier, Pekinese, Japan Chin, Shi Tzu, Boston Terrier, Mops) typische Erkrankung des Zahnfleisches – Diagnose hyperplastische Gingivitis (siehe Bild 1).

Genetisch bedingtes ständiges übermäßiges Wachstum der Gingiva führt zu über den gesamten Maulbereich verteilten Wucherungen des Zahnfleisches. Zwischen dem überschüssigen Gewebe und den Zähnen sammeln sich Futterreste, welche in Kombination mit Bakterien und sinkendem ph zu Maulgeruch, Bildung von Calculus und in Folge zu periodontalen Schäden führen.

Um Angus optimal auf die geplante Sanierung der Maulhöhle vorzubereiten, wird er präoperativ 7 Tage mit Clindamycin (Antirobe150mg) antibiotisch versorgt.
Die Prämedikation für die Narkose wird mit Butorphanol, KetaminS und Midazolam durchgeführt. Zur Einleitung verwenden wir Propofol und die Erhaltung gewährleistet Isofluran.

Initial aufgenommene Röntgenbilder zeigen eine Aufhellung im Wurzelbereich des PM2 im rechten Oberkiefer.  

Nach der Entfernung des Zahnsteines mit Hilfe eines Ultraschallgerätes zeigt sich deutlich die Notwendigkeit einer Extraktion des PM1 und PM2 im rechten dorsalen Quadranten. Die chronische Entzündung des Zahnfleisches hatte zu einer Bildung von tiefen Taschen geführt, welche irreversible Schäden am Zahnhalteapparat verursacht hatten. Die Extraktion gelang mit Hilfe einer Zange nach Separation des PM2 in zwei Teile mit einem Bohrer (siehe Bild 2).


Bild 2

Anschließend werden die Zähne mit einem weichem Gummiaufsatz und Polierpaste (Nupro Prophylaxe Paste mit Flourid) poliert.

Die hyperplastischen Zubildungen der Gingiva werden durch Verwendung eines Ellman Surgitron F.F.P.F. wieder auf ein physiologisches Niveau gebracht (siehe Bild 3). Dabei wird das überschüssige Zahnfleisch mit ruhigen, gleichmässigen Bewegungen abgetragen und die dadurch entstandene scharfe Kante anschließend mit feinen Pinselbewegungen abgerundet.


Bild 3

Nach einer ruhigen Aufwachphase darf Angus wieder zu seinen Besitzern, welche auch für die folgenden 7 Tage noch mit Antirobe für ihren Hund versorgt werden.

Nun kann Angus seine Kauknochen wieder genießen – bis er ca. In 6 Monaten wieder zu einer Kontrolle kommen muß. Denn da es sich bei der hyperplastischen Gingivitis um eine genetisch bedingte Prädisposition für überschüssiges Wachstum handelt, muss zeitlebens in regelmäßigen Abständen dafür Sorge getragen werden, daß Zubildungen frühzeitig erkannt und entfernt werden.

Mag.vet.med. Helene Widmann
eMail: [email protected]

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