Caninusfehlstellung beim Hund

(02.09.2005) Die 8 Monate alte Border Colliehündin "Vanilla” wurde uns mit einem Engstand beider Unterkiefereckzähne vorgestellt, wodurch mesial der Oberkiefercanini bereits eine geringradige Verletzung des Oberkiefers vorlag.

Die Fehlstellung der Unterkiefereckzähne zählt beim Hund zu den am häufigsten anzutreffenden Malokkusionen.

Wogegen andere Abweichungen von der physiologischen Zahnreihe oft nur ästhetische Auswirkungen haben, erfolgt bei einer Malokklusion der mandibulären Canini meist eine Traumatisierung des Oberkiefergaumens oder eine Attrition der maxillären antagonisierenden Zähne.

Die Ursache stellen entweder dentoalveoläre (Fehlstellungen bei korrekter Kieferbasis) oder basoskelettale Abweichungen (Missverhältnis von Ober- und Unterkiefer) dar. Persistierende Milchcanini können bleibende Eckzähne von ihrer physiologischen Winkelung ablenken und eine ausreichende Bukkalkippung verhindern.

So werde sie oft als Causa für dentoalveoläre Fehlstellungen angesehen. Eine fehlerhaft angelegte Keimanlage des permanenten Caninus kann jedoch ebenso das normale Ausfallen des Milchzahnes verhindern.

Wenn traumatische Ursachen für eine Malokklusion der Canini ausgeschlossen werden können, kann von einer genetischen Veranlagung ausgegangen werden.

Basoskelettale Abweichungen können transversale und sagittale Veränderungen der Kieferstellung zufolge haben (z.B.: Mandibula angusta, Mikrognathia inferior, Brachygnathia inferior und Prognathia superior). 

Basoskelettale Veränderungen sind häufig genetisch fixiert, jedoch können auch Entwicklungsstörungen zu einem Missverhältnis von Ober- und Unterkiefer führen.

Die Klassifikation der Caninusfehlstellung erfolgt nach einem Schema von Fahrenkrug und Röcken.

Grad 1: mandibulärer Caninus trifft peripher am Alveolarkamm des Oberkiefers auf;  Grad 2: Kontakt der Spitze des Unterkiefercaninus mesiopalatinal des Oberkiefercaninus;
Grad 3: Auftreffen des mandibulären Eckzahnes palatinal des maxillären Caninus; Grad 4: Okklusion des Unterkiefercaninus distopalatinal des Oberkiefercaninus;

Die Schäden im Oberkiefer können von geringgradigen Impressionen, der Bildung von Schleimhauttaschen, tiefen Defekten im knöchernen Gaumen bis hin zur Bildung einer oronasalen Fistel reichen. Weitere Komplikationen entstehen durch die Impaktion von Futterresten, welche eine Entzündung des betroffenen Areals hervorrufen.

Eine fehlerhafte Verzahnung kann auch durch das voneinander unabhängige Wachstum des Ober- und Unterkiefers entstehen. Diese Malokklusion kann in Folge auch negative Auswirkungen auf das Kieferwachstum haben, welches ca. mit 18 Monaten abgeschlossen ist.

Wenn immer eine kieferorthopädische Behandlung notwendig ist, sollte diese möglichst frühzeitig beginnen, damit die Wachstumsvorgänge im Kiefer ausgenutzt werden können.

Liegt die Causa der Caninusfehlstellung in einer basoskelettalen Abweichung, ist es wesentlich schwieriger sie zu korrigieren, als eine reine Zahnfehlstellung.

Die therapeutischen Möglichkeiten bei einer Caninusfehlstellung reichen von der Extraktion der steil stehenden Canini, einer Zahnkürzung mit Vitalamputation bis zur kieferorthopädischen Korrektur der pathologischen Abweichung.

Bei Vanilla entschieden wir uns für eine orthodonte Behandlung, da die Entfernung der Canini eine wesentliche funktionelle Einschränkung darstellen würde. Nicht nur die Halte- und Greiffunktion sondern auch die Zungenführung wäre durch die Extraktion der Unterkiefereckzähne gravierend beeinträchtigt.
Nach Sedierung mit Domitor® und Ketasol® und Einbringen von Oleovit® Augensalbe wurden die Eckzähne des Oberkiefers mit Cerclagedraht verbunden. Danach wurde in drei Schritten selbsthärtendes Composit (ProTemp Garant®) aufgebracht.

Durch optimale Formung des Kunststoffes sollte bei jedem Schließen des Kiefers eine Führung der Canini des Unterkiefers nach bukkal erfolgen. Der Feinschliff erfolgte mit einem Polieraufsatz. Etwaige Kanten und Unregelmäßigkeiten konnten so geglättet werden.

5 Tage später sahen wir Vanilla zu einer erneuten Korrektur des orthodontischen Behelfs, da immer eine geringgradige Überregulierung angestrebt werden soll, um dem Rückstelleffekt nach Entfernung des Behelfs entgegenzuwirken.

Nach weiteren 18 Tagen konnten wir die Prothese entfernen. Leider konnte der Besitzer die erforderlichen Hygienemaßnahmen während der Behandlung nicht durchführen, wodurch unter der Platte eine oberflächliche Entzündung aufgetreten war.

Um diese Komplikation unter Kontrolle zu bringen, wurde Vanilla noch mit Antibiotika für 7 Tage versorgt. Die Steilstellung der Canini war in eine physiologische Winkelung gebracht worden und sobald die Entzündung abgeheilt ist, wird jeglichen Kaufreuden nichts mehr im Wege stehen!

DDr. Stoian Camil PhD und Mag. Helene Widmann

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