Paarbindung festigt sich im Gehirn

(23.10.2014) Zebrafinken nutzen ihr spezialisiertes Gesangssystem für einfache Kommunikation

Singvögel besitzen neben ihrem Gesang ein umfangreiches Repertoire an Rufen. Während der artspezifische Gesang als Jungvogel erlernt werden muss, sind die meisten Rufe wie bei allen anderen Vögeln angeboren.


Der Gesang der Zebrafinken hat sich offenbar aus einem einfachen System für angeborene Rufe entwickelt

Forscher vom Max-Planck-Institut in Seewiesen haben nun an Zebrafinken entdeckt, dass auch bei Kommunikationsrufen ein sonst für den Gesang wichtiges Gehirnareal aktiv wird. Diese Beziehung zwischen ungelernten Rufen und einem für gelernte Lautäußerungen zuständigen Hirnareal ist wichtig für das Verständnis der Evolution des Gesangslernens bei Singvögeln.

Annähernd die Hälfte aller Vogelarten sind Singvögel. Nur sie haben die Fähigkeit, komplizierte Lautmuster zu erlernen, die wir allgemein als Gesang bezeichnen. Zahlreiche Studien belegen, dass die Gesänge der Singvögel hauptsächlich der Partnerwahl und der Verteidigung eines Territoriums dienen. In den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel singt meist nur das Männchen.

Rufe hingegen gibt es bei allen Vögeln und stets bei beiden Geschlechtern - auch bei Arten wie dem Zebrafinken, bei denen das Weibchen niemals singt. Die Rufe müssen bis auf wenige Ausnahmen nicht gelernt werden und dienen der Kommunikation.

Meist sind sie mit einem bestimmten Zweck verbunden, wie es bei Warnrufen und Kontaktrufen der Fall ist. Für Neurobiologen ist der Gesang der Singvögel interessant, da er von einem Netzwerk aus Neuronenkernen im Vorderhirn gesteuert wird. An diesem Netzwerk können Neurowissenschaftler allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten erforschen, wie das Gehirn Verhalten steuert.

Diese Zusammenhänge hat nun ein Team von Forschern aus dem Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen mittels speziell entwickelter Aufnahmemethoden der Gesangs- und Gehirnaktivität gefunden. Die Forscher befestigten ultraleichte, selbstgebaute Mikrofonsender wie Rucksäckchen mit Gummibändern auf dem Rücken verpaarter Zebrafinkenweibchen und -männchen.

Bei den Männchen wurde ein Aufnahmesystem zum Messen der Gehirnaktivität aufgesetzt, das per Funk Daten überträgt.


Mit 0,6 Gramm schweren Minisendern messen die Forscher die Gehirnaktivität der Vögel

Dank dieser telemetrischen Miniaturtechnik konnten sich die Tiere in Gruppen in großen Volieren frei bewegen, so dass die Wissenschaftler das komplette Verhaltensrepertoire der Tiere kontinuierlich aufzuzeichnen konnten.

Dabei konzentrierten sich die Forscher auf sogenannte “Stack”-Rufe. Es zeigte sich, dass sie hauptsächlich innerhalb gefestigter Paarbindungen den Zusammenhalt von Männchen und Weibchen fördern. “Der ständige Kontakt zum Partner ist wichtig, da die Zebrafinken in großen sozialen Gruppen leben“, sagt Lisa Trost, Mitautorin der Studie.

Erstaunlicherweise wird nicht jeder der Paarbindungsrufe auch beantwortet, was die Forscher zunächst vor ein Problem bei der Analyse stellte. Sie legten fest, dass ein Ruf des Partners nur dann als Antwort gilt, wenn er innerhalb von zwei Sekunden erfolgt.

"So konnten wir eine Matrix erstellen, die klar zeigte, dass fast ausnahmslos die beiden Paarpartner miteinander die Rufe austauschen, was die wichtige soziale Komponente dieses “Stack“-Rufes unterstreicht“, sagt Andries Ter Maat, Erstautor der Studie.

Als die Forscher nun die Aktivität eines für die Gesangsproduktion wichtigen Hirnareals analysierten – des sogenannten RA-Kerns -, fanden sie eine klare Übereinstimmung zwischen dessen Aktivitätsmuster und dem Auftreten des “Stack“-Rufes.

“Dieser Zusammenhang zwischen einem angeborenen Ruf und der Aktivität eines für erlernte Lautäußerungen wichtigen Gehirnareals lässt vermuten, dass sich während der Evolution der Singvögel die Rolle der Gesangsareale im Gehirn von einem einfachen Vokalisationssystem für angeborene Rufe hin zu einem spezialisiertem neuronalen Netzwerk für gelernte Gesänge geändert hat“, schlussfolgert Manfred Gahr, Koordinator der Studie.



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