Männchen lassen sich offensichtlich nicht auf eine höhere Fruchtbarkeit züchten

(23.01.2018) Dummerstorfer Wissenschaftler einem außergewöhnlichen wissenschaftlichen Phänomen auf der Spur

Unfruchtbarkeit ist weltweit ein relevantes medizinisches Problem. Bisherige Studien zu Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit beschränken sich meist auf die Analyse einzelner Gendefekte.

Die Molekularbiologen und Biochemiker des Leibniz-Institutes für Nutztierbiologie Dummerstorf sind einer bislang kaum bzw. noch gar nicht gestellten wissenschaftlichen Frage nachgegangen: werden „automatisch“ hochfruchtbare Männchen gezüchtet, wenn auf hochfruchtbare Weibchen selektiert wird? Eine Bejahung dieser Frage, die viele Fruchtbarkeitsprobleme in der Nutztierhaltung lösen würde, bleibt allerdings bisher aus.


Im Dienste der Wissenschaft - die Dummerstorfer Mäuse

Die seit 2013 in Dummerstorf laufenden Forschungen am Mausmodell haben klar ergeben, dass sich männliche Tiere nicht auf dieses typische weibliche Zuchtmerkmal einstellen lassen. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 250000 Euro geförderten Untersuchungen sollen jetzt in einem größeren Forschungsvorhaben fortgeführt werden.

Die Erkenntnisse sind auch für die Humanmedizin von großem Interesse und im November vergangenen Jahres gleich in zwei namhaften englischen Wissenschaftsjournalen* veröffentlicht worden.

Forschung im Zeitraffer am Mausmodell

Bei der Zucht auf bestimmte physiologische Merkmale, beispielsweise weibliche Tiere mit hoher Körpergröße und Körpergewicht oder eine veränderte Fellfarbe, übernehmen auch männliche Tiere dieser Population die erwünschten Eigenschaften.

„Uns hat nun die Frage beschäftigt, was passiert, wenn man Tiere auf große Würfe und somit auf eine hohe Fruchtbarkeit selektioniert“, sagte Privatdozent Dr. Joachim M. Weitzel (Foto) aus dem Institut für Fortpflanzungsbiologie am FBN.

„Dieses ist ein primär weibliches Selektionskriterium und hat keine bedeutsamen Folgen in männlichen Nachkommen. Im Gegensatz zu den weiblichen Tieren zeigen die männlichen Tiere bei der Zucht eine normale, aber keine erhöhte Fruchtbarkeit. Nur Weibchen lassen sich bislang also auf hohe Wurfgrößen züchten.“

Als Grundlage für die molekularbiologischen und hormonellen Analysen der männlichen Tiere, vor allem auf der Basis moderner Genexpressionsanalysen, dienten die international renommierten Dummerstorfer Mäuselinien. Diese sind weltweit die einzigen, die bereits auf eine erhöhte Fruchtbarkeit gezüchtet worden sind.

Die Maus der Dummerstorfer Fruchtbarkeitslinie bringt pro Wurf durchschnittlich 20 Nachkommen zur Welt und das bis zu viermal im Jahr. Diese Mäuse haben im Vergleich zu einer normalen Kontrolllinie nicht nur die Anzahl der Nachkommen, sondern auch das gesamte Geburtsgewicht eines Wurfes fast verdoppelt.

„Wir konnten gleich im doppelten Sinne im Zeitraffer arbeiten“, so Weitzel weiter. „Zum einen sind unsere Mauslinien schon seit 180 Generationen auf das Merkmal der hohen Fruchtbarkeit selektiert, zum anderen sind Mäuse durch ihre schnelle Reproduktion und damit extrem kurze Generationszyklen besonders für derartige komplexe wissenschaftlichen Fragestellungen geeignet.“

Forschung zur männlichen Fruchtbarkeit wird fortgesetzt

Die Dummerstorfer Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass zwei auf hohe Fruchtbarkeit selektionierte Mauslinien dafür unterschiedliche Strategien entwickelt haben, die für die Schweinezucht von konkreter Bedeutung sind.

Solche Daten sind auch mit Blick auf die Biodiversität von Tierpopulationen interessant, da sich das gleiche phänotypische Merkmal, hier die hohe Fruchtbarkeit, offensichtlich auf unterschiedlichen molekularen Wegen realisieren lässt.

Die Arbeiten fanden im Labor der Abteilung Biochemie am Institut für Fortpflanzungsbiologie des FBN in Zusammenarbeit mit dem Institut für Genetik und Biometrie sowie der Servicegruppe Modelltierlaboratorium und der Universitätsmedizin Rostock statt.

„Im Rahmen eines größeren Projektes können die Untersuchungen nun fortgesetzt und die bisherigen Erfahrungen vertieft werden“, kündigte der Wissenschaftler an.

„Wir vermuten, dass Gene und Signalwege, deren Veränderung mit einer stark erhöhten Fruchtbarkeit einhergeht, auch bei verminderter Fruchtbarkeit eine Rolle spielen.

Somit hoffen wir mit diesem Projekt möglicherweise eine wichtige Grundlage für neue Erkenntnisse zur Behandlung der männlichen Unfruchtbarkeit zu schaffen.“

Publikationen

„BMC Genomics“ - November 2017
Selection for female traits of high fertility affects male reproductive performance and alters the testicular transcriptional profile
http://www.bmcgenomics.biomedcentral.com; http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29157197
doi: 10.1186/s12864-017-4288-z.

„Reproduction“ - November 2017
Testicular transcriptional signatures associated with high-fertility
http://www.reproduction-online.org
doi: 10.1530/REP-17-0392


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