Johanniskraut: Wirkung vorhanden, aber geringer als angenommen

(01.02.2005) In einer soeben im British Journal of Psychiatry veröffentlichten Übersichtsarbeit untersuchten Klaus Linde vom Münchner Zentrum für naturheilkundliche Forschung und Kollegen den Einfluss von Johanniskraut (Hypericum perforatum) auf Depressionen.


Johanniskraut, im Volksmund auch Elfenblut oder Teufelsfluchtkraut genannt, wird seit Jahrhunderten stimmungsaufhellende Wirkung nachgesagt
Dazu analysierten sie 37 Studien, in denen Patienten mit Depressionen über mindestens einen Monat lang entweder mit Johanniskraut, einem Standard-Antidepressivum oder mit einem Placebo behandelt wurden.

Die Ergebnisse zeigen, dass Johanniskraut bei leichten und mittelschweren Depressionen hilft, der Effekt jedoch nicht so ausgeprägt ist wie bislang angenommen. Grund dafür ist unter anderem der Einschluss von neueren, methodisch anspruchsvollen Untersuchungen aus den USA, die keine oder nur eine geringe positive Wirkung des Pflanzenextraktes nachweisen konnten.

Neue Studienlage

Im Gegensatz zu früheren Übersichtsarbeiten, fanden in diese Metaanalyse nur solche Studien Eingang, die strengen wissenschaftlichen Anforderungen entsprachen.

So durfte weder Arzt noch Patient wissen, ob ein Antidepressivum, Johanniskraut oder ein Placebo eingenommen wurde (doppelblinde Versuchsanordnung).

Zusätzlich musste die Einteilung der Versuchsteilnehmer in die Wirkstoff- oder Placebo-Gruppe zufällig erfolgt sein (randomisiert).

Die Autoren der Übersichtsarbeit machten sich auch auf die Suche nach Studien, die - häufig wegen negativer Ergebnisse - nicht veröffentlicht wurden und bezogen diese mit in die Analyse ein.

Johanniskraut wirkt etwas besser als Placebo

Insgesamt analysierte das Forscherteam, das sich aus deutschen, schweizerischen und US-amerikanischen Experten zusammensetzt, Ergebnisse von 5603 erwachsenen Versuchspersonen.

In 26 Studien wurde Johanniskraut mit einem Placebo verglichen, in 14 Studien musste das pflanzliche Heilmittel gegen ein Standard-Antidepressivum antreten.

Bis auf 11 stammten alle Untersuchungen aus deutschsprachigen Ländern. Insgesamt wirkte Johanniskraut statistisch signifikant besser als ein Scheinpräparat; abhängig vom Patientenkollektiv etwa 1,1- bis 2-mal so gut und sehr ähnlich wie Standard-Antidepressiva wie beispielsweise Imipramin oder Sertralin.

Frühere Metaanalysen hatten dem Johanniskraut im Vergleich zum Placebo noch eine 2,5-mal bessere Wirkung bescheinigt.

Je neuer die Studie umso schwächer der Effekt

Im Vergleich zwischen Hypericumextrakt und Plazebo fiel der positive Effekt des Johanniskrauts umso schwächer aus je aktueller die Ergebnisse, je höher die Anzahl der Versuchsteilnehmer und je schwerer die Depressionen war.

Sowohl für den Vergleich mit Placebo als auch mit Antidepressiva galt: In Studien aus deutschsprachigen Ländern schnitt Johanniskraut besser ab als in anderen Ländern.

Patienten, die den Pflanzenextrakt einnahmen, litten unter geringeren Nebenwirkungen und unterbrachen die Studien seltener als Patienten, die ältere Standard-Antidepressiva erhielten.

Im Vergleich mit modernen Medikamenten, den Serotonin Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI), war dieser Trend allerdings nicht signifikant.

Nur in die Hand des Arztes

"Frühere Studien haben die positive Wirkung des Johanniskrauts vermutlich überschätzt", interpretiert der Erstautor der Übersichtsarbeit, Klaus Linde, die Ergebnisse.

Wie so häufig in der komplementären Medizin gibt es viele widersprüchliche Daten, die eine konkrete Einschätzung der Wirkung schwer machen. "Aber auch wenn die Evidenz für den Effekt des Pflanzenextrakts schwächer geworden sind, so ist sie immer noch positiv", betont der Arzt und Epidemiologe Klaus Linde.

Auch das Ausmaß der Nebenwirkungen, selbst wenn sie gering sind, sollte nicht unterschätzt werden. "Es besteht die Möglichkeit, dass Johanniskraut die Wirkung anderer Medikamente - wie beispielsweise der Pille - beeinflusst", warnt der Mediziner.

Daher gehört die Johanniskraut-Therapie in die Hände eines erfahrenen Arztes und sollte nicht selbstständig vom Patienten durchgeführt werden.

Die Übersichtsarbeit "St Johns wort for depression" ist soeben im British Journal of Psychiatry erschienen (Br J Psychiatry 2005;186;99-107) und wird im Laufe des Jahres in der Cochrane Collaboration Library veröffentlicht.

Weitere Informationen:
http://www.lrz-muenchen.de/~ZentrumfuerNaturheilkunde/

weitere Meldungen

Dr. Maria Wallert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitet in der neuen Forschungsgruppe 'nanoCARE4skin' von Universität und Universitätsklinikum Jena.; Bildquelle: Anne Günther/FSU

Innovative Nanomaterialien verpacken heilsame Pflanzenextrakte

Innovative Arzneiformen zur Behandlung chronisch-entzündlicher Hautkrankheiten
Weiterlesen

Society for Medicinal Plant and Natural  Product Research (GA)

Symposium „Animal Healthcare and Veterinary Phytotherapy: Science and Practice”

Pre-Congress Symposium zum 67. International Congress and Annual Meeting of the Society for Medicinal Plant and Natural Product Research am 1. September 2019 in Innsbruck 
Weiterlesen

Kamillenblüten in Trocknungsanlage; Bildquelle: Ziegler/ATB

Neuer Leitfaden zur Trocknung von Arzneipflanzen

Der eben erschienene „Leitfaden Trocknung von Arznei- und Gewürzpflanzen“ vermittelt in kompakter Form relevante Informationen für die Errichtung und den Betrieb von Trocknungsanlagen
Weiterlesen

Kümmel-Samen; Bildquelle: By Me. (Spice Hunter.) [Public domain], via Wikimedia Commons

Kümmel ist die Arzneipflanze des Jahres 2016

Der "Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" an der Universität Würzburg hat den Wiesenkümmel zur Arzneipflanze des Jahres 2016 gewählt
Weiterlesen

Ginkgoblätter ; Bildquelle: By THOR (originally posted to Flickr as Gingko Leaf) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Arznei oder Lebensmittel: Einstufung von pflanzlichen Stoffen wird leichter

Das Deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am 9. September eine Stoffliste für Pflanzen und Pflanzenteile vorgestellt. Vertreter verschiedener Bundesbehörden und der Bundesländer hatten in den vergangenen Jahren das 170-seitige Werk erarbeitet
Weiterlesen

Anis; Bildquelle: By Marc Troubat (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Anis - Heilpflanze des Jahres 2014

Anis ist die Heilpflanze des Jahres 2014. Der Naturheilverein (NHV) Theophrastus möchte mit dieser Wahl auf eine der ältesten Gewürz- und Heilpflanzen aufmerksam machen. Bereits die Römer nutzten gezuckerte Anisfrüchte als Verdauungshilfe nach üppigen Mahlzeiten
Weiterlesen

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Schnelle Wundheilung mit Birken

Seit Jahrhunderten gelten aus der Birke gewonnene Extrakte als traditionelle Heilmittel, die dafür sorgen, dass sich verletzte Haut schneller wiederherstellt. Freiburger Pharmazeutinnen haben die Wirkung eines natürlichen Extrakts aufgeklärt
Weiterlesen

Spitzwegerich; Bildquelle: Dr. Heike Will

Spitzwegerich ist Arzneipflanze des Jahres 2014

Er stillt den Hustenreiz und hilft bei Entzündungen der Haut und der Schleimhaut: Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) ist die Arzneipflanze des Jahres 2014. Dies teilt der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg mit, der seit 1999 die Arzneipflanze des Jahres kürt
Weiterlesen

Kurzmeldungen

Universitäten

Neuerscheinungen