Forschung zur Akzeptanz von Schweinefleisch aus der Bio-Ebermast ohne Kastration

(24.05.2009) Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich) setzt sich dafür ein, dass in Zukunft männliche Masttiere - Eber - ohne Eingriffe gemästet werden.

Verkostungen von Eber-Rohschinken und Eber-Rohwurst aus Schweizer Erzeugung bieten nun erstmals in Österreich kulinarische Einblicke in die Zukunft der Bio-Schweinefleischerzeugung.

 Ziel des vom Lebensministerium an das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich) vergebenen Projekts "Marktforschung und Durchführbarkeitsstudie für Fleisch und Fleischprodukte aus Bio-Ebermast" ist es, die Ebermast als praxistaugliche Methode in der Bio-Schweinefleischerzeugung zu fördern, Marktteilnehmer und Konsumenten von den Vorzügen des Eberfleisches zu überzeugen und die dazu nötigen Vermarktungsmaßnahmen bei Direktvermarktern, Fleischereien und Großabnehmern zu erarbeiten.

Aufbauend auf einer umfangreichen Literaturstudie werden KonsumentInnen zur Zufriedenheit und Qualität von Eberfleischprodukten befragt.

Dazu werden in Fokusgruppen in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark Blindverkostungen durchgeführt. Nach der allgemeinen Beurteilung des Fleisches werden konkrete Fragestellungen der Vermarktung wie die Qualitätseinordnung und die Zahlungsbereitschaft für Eberfleisch behandelt.

"Die Ferkelkastration ist als schmerzhafter Eingriff in die Integrität der Schweine zu sehen. Der im Projekt verfolgte Ansatz geht davon aus, dass jeglicher Eingriff am Tier, auch wenn er unter Narkose erfolgt, Stress und Schmerz für das Tier bedeutet.

Die derzeit zur Verfügung stehenden Methoden zur schmerzfreien Kastration beziehungsweise postoperativer Schmerzbehandlung sind jedoch entweder zu teuer oder noch nicht praxistauglich" - so Projektleiter DI Reinhard Geßl vom FiBL Österreich.

Unversehrtheit durch Ebermast

Die Ebermast gewährleistet größtmöglich die Unversehrtheit der Tiere. Der bei 1-30 % der männlichen Tiere auftretende Ebergeruch kann durch das Managementsystem, Zucht sowie Fütterung stark reduziert werden.

Grundsätzlich spricht für die Ebermast, dass die unkastrierten männlichen Schweine ein besseres Fleischansatzvermögen bei niedrigerem Fettansatz und somit eine bessere Futterverwertung aufweisen.

Derzeit stehen sensorische Analysen, Kochproben sowie analytische Methoden zur Erkennung geruchsbelasteter Schlachtkörper zur Verfügung. Für den Einsatz am Schlachthof wird derzeit von unterschiedlichen Stellen nach einer elektronischen Erkennung geforscht.

Akzeptanz der KonsumentInnen ist entscheidend

Die Akzeptanz von Eberprodukten durch die KonsumentInnen ist laut Literaturergebnissen wesentlich positiver zu bewerten als bisher angenommen.

Frauen reagieren allgemein sensibler auf Ebergeruch, ältere Generationen haben verstärkt Vorurteile gegenüber Eberprodukten. Es zeigen sich zudem Länderunterschiede, sodass im Rahmen dieses Projektes die Akzeptanz der Österreicher durch Fokusgruppen untersucht wird.

"Wie Betriebe in der Schweiz und anderen Ländern Europas zeigen, ist die Produktion und Vermarktung von Eberfleisch durchaus erfolgreich möglich, allerdings auch mit einem höheren Organisationsaufwand verbunden. Langfristig gesehen könnten Ebermastsysteme als erfolgreiche Alternative zur herkömmlichen Schweinemast mit Kastration der männlichen Schweine etabliert werden" ist DI Reinhard Geßl optimistisch.

Die ersten Projektergebnisse der aktuellen Verkostungsreihe bestätigen die Literaturangaben. Geschmack und Geruch der Eber-Rohschinken- und -wursterzeugnisse aus Schweizer Produktion wurden von den österreichischen VerkosterInnen überwiegend positiv bewertet. Die Ebererzeugnisse konnten nicht eindeutig von jenen Erzeugnissen aus "normaler" Produktion unterschieden werden.

Österreichisches Tierschutzgesetz: Handlungsbedarf bei Ferkelkastration

Jährlich werden in der EU etwa 100 Millionen Schweine geschlachtet, ca. 5,5 Millionen davon in Österreich. Mit Ausnahme von England, Irland, z. T. Portugal, Spanien, Dänemark und Zypern werden praktisch 100 % der männlichen Mastschweine innerhalb der ersten sieben Lebenstage ohne jegliche Schmerzausschaltung kastriert.

Ziel der Kastration ist vor allem die Vermeidung von "Ebergeruch" im Fleisch. Das an Urin erinnernde Aroma entsteht durch einen Cocktail von Substanzen, allen voran Androstenon und Skatol.

Laut österreichischem Tierschutzgesetz (§§ 5,7, 1. Tierhalteverordnung 2.10) ist es grundsätzlich verboten, Tieren ungerechtfertigt Schmerzen, Schäden und Leiden oder schwere Angst zuzufügen. Zulässige Eingriffe sind u. a. das betäubungslose Kastrieren männlicher Schweine bis zum 7. Lebenstag.

"Grundsätzlich nimmt Österreich durch das Tierschutzgesetz bei den Haltungsbedingungen landwirtschaftlicher Nutztiere eine Vorreiterrolle in Europa ein. Was die Kastration männlicher Schweine anbelangt, besteht jedoch Handlungsbedarf. Praxisorientierte Forschungsprojekte für die Ebermast sind dringend notwendig, um auch in diesem Bereich tatsächlich dem Tierschutz gerecht zu werden" - so DI Reinhard Geßl abschließend.

 


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