Monitoring-System zur Überwachung der Fischbestände

(09.02.2015) Das Thünen-Institut entwickelt ein automatisches Monitoring-System zur Überwachung der Fischbestände – Akustisch synchronisierte Fotoserien lösen punktuelle Stichprobenfänge ab

Klimawandel, Fischerei und andere Faktoren, zum Beispiel die Offshore-Energiegewinnung, beeinflussen Meeresökosysteme in vielfältiger Weise. Wie sich der Zustand dieser Ökosysteme ändert, lässt sich mit derzeitigen Monitoring-Strategien nur unzureichend erfassen.


Echogramm eines Fischschwarms

Denn mit dem Fangnetz-Einsatz an Bord von Forschungsschiffen und den Fangstatistiken kommerzieller Fischereifahrzeuge lassen sich bislang nur punktuell Daten in Raum und Zeit gewinnen. Um diese Dynamik vor Ort besser zu erfassen, entwickelt das Thünen-Institut vollautomatisierte Unterwasser-Erfassungsmethoden.

Im Verbund mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft forscht das Thünen-Institut für Seefischerei in Hamburg an Technologien, um ein autonomes Unterwasser-Fisch-Observatorium (UFO) in der Nordsee zu installieren und zu testen.

Dieses in der ersten Phase stationär geplante Monitoring-System führt modernste optische und akustische Sensortechniken zusammen. Das neue Verfahren soll auf umweltverträgliche Weise eine kontinuierliche Erfassung und Auswertung von Fischbeständen und ihrer Umwelt erlauben – ähnlich einem Video statt herkömmlicher „Schnappschuss“-Analysen.

Dabei sendet ein hochempfindliches Sonarsystem akustische Ping-Signale aus, die vorbeischwimmende Objekte wie Schiffe, Wale, Seehunde oder Fische erfassen.

Handelt es sich um Fische, erstellt das Sonarsystem spezielle akustische Aufnahmen (Echogramme), die mit synchron erzeugten Fotosequenzen extrem lichtempfindlicher Stereo-Unterwasserkameras verschnitten werden.

Gleichzeitig werden automatisch die Längen der Fische und ihre Entfernung im Kamera- und Sonarbereich erfasst und weitere Sensoren zur Messung von Umweltparametern angeschaltet.

Auf diese Weise werden komplexe Datensätze für die quantitative Erfassung und Modellierung von Fischpopulationen erzeugt, sodass arbeitsaufwendige, kostenintensive und die Bestände beeinflussende Stichprobenfänge reduziert werden können.

Prof. Dr. Joachim Gröger vom Thünen-Institut für Seefischerei hatte die Idee dazu bereits vor einigen Jahren, als er noch an der University of Massachusetts/USA Fischereiozeanografie lehrte.

„Es ist wunderbar, dass wir die Gelegenheit bekommen haben, ein solches weltweit neuartiges Monitoring- und Auswertungssystem auf höchstem Niveau in Deutschland zu entwickeln, und dafür sehr kompetente Partner zu gewinnen“, sagt Gröger, der das UFO-Projekt federführend koordiniert.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert das Innovationsprojekt mit 4 Millionen Euro. „Mit UFO ist es zum Beispiel möglich, die Entwicklung der Fischbestände in sensiblen Schutzgebieten oder Windparks kontinuierlich zu überwachen“, sagt Gröger.

Weil es auf andere Seegebiete übertragbar ist, schafft es die technische Voraussetzung, fischereibiologische Analysen und das zugehörige Ökosystem-Management global auf eine neue Grundlage zu stellen. In einer späteren Phase nach 2015 sollen die fest installierten Unterwasser-Observatorien um ebenfalls neu zu entwickelnde mobile UFO-Systeme ergänzt werden.

Neben dem Thünen-Institut, das das UFO-System konzeptionell gestaltet, die Hardware beschafft und zudem die fischbiologischen sowie physikalisch-ozeanografischen Untersuchungen im Rahmen einer Begleitstudie durch Dr. Boris Cisewski und Dr. Sven Hammann koordiniert, beteiligen sich vier weitere Partner an dem Projekt:

Mit Dipl.-Oz. Torsten Turla und Kollegen übernimmt die Kieler Firma MBT die gesamte Hard- und Software-Integration einschließlich des Baus und Testens des UFO-Systems.

Federführend mit den beiden Experten Prof. Dr. Sabah Badri-Höher und Prof. Dr. Hauke Schramm entwickeln zwei verschiedene Abteilungen der Fachhochschule (FH) Kiel die Mustererkennungsalgorithmen für die akustischen und optischen Systemkomponenten.

Dipl.-Ing. Björn Lehmann-Matthaei und Kollegen von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der FH Kiel koordinieren den Anschluss des UFO-Systems an die Forschungsplattform „FINO3“, die sich etwa 80 Kilometer nordwestlich von Sylt am Rand eines neuen Windparkgebietes vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste befindet.

Im Rahmen der Begleitstudie beteiligen sich ferner die Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Christian Möllmann von der Universität Hamburg und von Dr. Rolf Riethmüller vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht an weitergehenden planktologischen sowie physikalisch-ozeanographischen Untersuchungen.




Weitere Meldungen

Alfred-Wegener-Institut

Weniger Meereis, mehr Hering

Noch überziehen sich die Meere der Polargebiete jedes Jahr für Wochen oder Monate mit einem gefrorenen Panzer. Doch der Klimawandel lässt dieses Meereis zunehmend schwinden
Weiterlesen

Dorsche ; Bildquelle: Jan Dierking, GEOMAR

Was der Fischer davon hat, die Evolution des Kabeljaus zurückzudrehen

Überfischung und Übernutzung der Meere haben bei Fischbeständen wie dem Kabeljau zu evolutionären Veränderungen geführt
Weiterlesen

University of Gothenburg

Überfischung des Ostseeheringes bereits im 13. Jahrhundert

Moderne DNA-Technologie in Kombination mit archäologischen Funden zeigt, dass Heringe aus der Ostsee bereits im 9. Jahrhundert über große Entfernungen gehandelt wurden
Weiterlesen

Schleppnetzkutter im Hafen Sassnitz; Bildquelle: Heike Schwermer, CeOS/Uni Kiel

Projekt SpaCeParti: Nachhaltige Zukunft für Ostsee-Küstenfischerei

In der westlichen Ostsee ist die Küstenfischerei eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Küstengemeinden und den Auswirkungen des Klimawandels mit dem zunehmenden Verlust von Biodiversität verknüpft
Weiterlesen

Der herbstlaichende Ostseehering kollabierte bereits zum Beginn der frühen Neuzeit als Folge von negativen Umwelteinflüssen und Überfischung; Bildquelle: Aquarium GEOMAR, Jan Steffen

Klimaveränderungen und Überfischung dezimierten Ostseehering lange vor der Industrialisierung

Historische Quellen zeigen, dass die Überfischung des Ostseeherings schon vor rund 500 Jahren begann und bis heute nachwirkt
Weiterlesen

Universität Bern

Hitzewellen im Meer haben drastische Folgen für Fischerei

Marine Hitzewellen in stark befischten Gewässern werden in Zukunft negative Auswirkungen haben für die Fischbestände, den Fischfang und alle Menschen, die davon abhängig sind
Weiterlesen

Der Schwarmfischfänger 'Kristin' beim Einlaufen in den Rostocker Fischereihafen.; Bildquelle: Thünen-Institut/Annemarie Schütz

Ostseesprotten-Survey: Erfolgreiche Kooperation zwischen Fischerei und Forschung

Erste Forschungsreise in die Ostsee mit einem deutschen kommerziellen Fangschiff erfolgreich beendet
Weiterlesen

IGB

Die Fischerei fördert kleine, scheue Fische

Über die Fischerei werden vor allem größere und aktivere Fische aus Populationen herausgefangen. Damit wirkt das Fischen als Selektionsfaktor, der scheue Fische bevorteilt
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen