Austern im Wattmeer

(26.05.2014) Seit Beginn seiner Erforschung hat sich das Wattenmeer noch nie so stark in seiner Artenwelt verändert, wie in den letzten 15 Jahren. Bisher sind durch eingeschleppte Arten noch keine alten ausgestorben.

Doch das könnte sich ändern. Denn zunehmende Wassertemperaturen schaffen nicht nur eine lauschige Atmosphäre für Exoten aus wärmeren Gewässern. Sie wecken auch „ökologische Schläfer“.

Also Neulinge, die sich erst durch den Temperaturanstieg massenweise vermehren können. Für empfindliche Ökosysteme wie das Wattenmeer oder Inseln ist das besonders gefährlich. Darauf will auch das Motto „Inseln und ihre Küstengewässer“ des heutigen Internationalen Tags der Biodiversität aufmerksam machen.


Die positive Seite des Klimawandels? Exotische Auster in der Nordsee

„Die Austern hier sind eigentlich ganz schön gewiefte Eindringlinge. Die kommen ursprünglich aus dem Pazifik vor Japan und Südkorea“, erklärt Achim Wehrmann vom Forschungsinstitut Senckenberg in Wilhelmshaven.

Bereits in den 1970er Jahren wurden sie von Muschelfarmern hierher gebracht. Damals glaubte man, dass die Pazifische Auster ökologisch keinen Ärger machen würde. Zum Laichen braucht sie schließlich Wassertemperaturen von 20 Grad.

Doch heute wird die Nordsee im Sommer regelmäßig so warm. Die Pazifikauster konnte also Abermillionen an Larven produzieren, die aus den Aquakulturen ausbrechen und heute die Nordseeküste von den Niederlanden bis nach Dänemark besiedeln.

Trotz anfänglichem Chaos Chaos im Ökosystem haben sie sich indessen gut mit den heimischen Tier- und Pflanzenarten arrangiert. Warum sich also nicht einfach über die positive Seite des Klimawandels und eine neue exotische Delikatesse vor der Haustür freuen?

„So einfach ist es leider nicht“, gibt Wattforscher Wehrmann zu Bedenken. „Jede neue Art, und ist sie selbst noch so friedlich, kann ein Einfallstor für weitere neue Arten bieten.“ Darunter auch weniger harmlosen. „Was wäre, wenn dadurch nun wohlige Bedingungen für eine für Mensch und Tier giftige Alge geschaffen werden um sich breit zu machen?“

Besonders verwundbar für Bioinvasionen sind nicht nur verhältnismäßig artenarme Ökosysteme wie das Wattenmeer, sondern auch Inseln. Denn hier haben sich seit jeher, isoliert vom ständigen Artenwandern an Land, sehr eigene evolutionäre Prozesse abgespielt.

Da außerdem große Landraubtiere meist fehlen, leben hier viele Arten, die ihre Flucht- und Schutzinstinkte verloren haben. Arten wie der der zu traurigen Berühmtheit gelangte Dodo, ein flugunfähiger, mehr als putengroßer Vogel.

Ende des 17. Jahrhunderts starb er auf der Insel Mauritius aus, nachdem der Mensch dorthin kam - Ratten, Schweine und Katzen im Gepäck, die dem Dodo und seinen Bodennestern schnell den Garaus machten.

Ähnlich dem Dodo gerieten im Laufe des letzten Jahrhunderts zahlreiche auf Inseln beheimatete Arten durch invasive Arten unter Druck. In den letzten 400 Jahren sind rund 720 Arten nachweislich ausgestorben. Fast die Hälfte davon auf Inseln.

Auf das Problem will auch der heutige Internationale Tag der Biodiversität unter dem Motto „Biodiversität der Inseln und Küstengewässer“ aufmerksam machen. Seit 1992 erinnert der Tag an die Einigung auf das Internationale Übereinkommen zur Biologischen Vielfalt (CBD, Convention on Biodiversity), das auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro unterzeichnet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, die Biologische Vielfalt auf der Erde zu erhalten.

„Bisher hatten wir im Wattenmeer und auf den Nordseeinseln noch Glück. Alte und neue Arten haben sich immer irgendwie arrangieren können“, so Wehrmann. Auch die Menge an Neulingen sei noch vergleichsweise gering gewesen. Vor allem die niedrigen Wassertemperaturen haben dafür gesorgt, dass aus wärmeren Gebieten mitgereiste Tiere und Pflanzen relativ geringe Überlebenschancen hatten.

Doch nun kommt die Meereserwärmung durch den Klimawandel als neues Phänomen hinzu. Auch schon lange im Wattenmeer bekannte, neue Arten wie die Amerikanische Pantoffelschnecke könnten sich dann von einem „ökologischen Schläfer“ in eine echte Invasion entwickeln. An manchen Stellen kann man heute bereits bis zu 1500 Exemplare auf einem Quadratmeter finden - im Vergleich zu Frankreich bisher noch wenig.

Der Grund: Sie verträgt die bisher noch kalten Nordsee-Winter nur schwer und bis zu 90 Prozent sterben. Die Strände der Nordseeinsel sind dann mit vielen tausend Pantoffelschnecken-Leichen übersät.



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