Kreuzspinne
Rote Liste der gefährdeten Spinnen

(20.12.2004) Menschliche Eingriffe Ursache für Artenbedrohung

Oldenburg. Auch wenn Aberglaube und Vorurteile gegenüber Spinnen in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen haben, ist das Wissen um diese kleinen Tiere doch noch recht begrenzt.

So dürfte kaum bekannt sein, dass allein in Niedersachsen/Bremen 675 Spinnenarten leben. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Biologen Dr. Oliver-D. Finch sowie der Diplomandin Theda Bruns von der Arbeitsgruppe Terrestrische Ökologie der Universität Oldenburg. Die Studie enthält neben einer erstmalig erstellten Gesamtliste für Niedersachsen und Bremen auch eine Rote Liste gefährdeter Arten.

Danach ist ein erheblicher Teil der heimischen Spinnenfauna als gefährdet anzusehen. Insgesamt enthält die Liste 288 Spinnen (42,7 Prozent), die – so der Spinnenexperte Finch - als "mehr oder weniger stark bedroht angesehen werden müssen".

Für die Studie griffen die WissenschaftlerInnen auf verstreut vorhandenes Datenmaterial zurück, in das auch eigene Erhebungen vor Ort mit einflossen. Die Untersuchung bezieht sich auf Webspinnen, der größten Gruppe der Spinnentiere in Deutschland (abgesehen von den Milben, die ebenfalls zur Gruppe der Spiennen zählen). Zu den bekanntesten Vertretern gehören die Garten-Kreuzspinne, die Zebraspringspinne sowie die Zitterspinne, die bevorzugt in Wohnungen und Häusern in enger - nicht immer wohlgelittener - Nachbarschaft zum Menschen lebt.

Zwar sind fast alle Spinnenarten giftig, aber nur wenige exotische Arten für den Menschen gefährlich. Einzelne in Mitteleuropa heimische Arten können den Menschen wohl beißen (u.a. die Garten-Kreuzspinne), allerdings ohne große Folgen. Der Biss ist nicht gefährlicher als ein Wespenstich.

Bundesweit sind 997 Webspinnenarten bekannt, Niedersachsen/Bremen erreicht davon einen Wert von 67 Prozent (675 Arten). Innerhalb Niedersachsen/Bremens liegt die höchste Artenzahl in der Region Lüneburg vor (550 Arten). In der Region Weser-Ems gibt es 468 Arten. Die im Vergleich zu einzelnen anderen Bundesländern bzw. Regionen hohe Artenzahl beruht auf der ausgeprägten landschaftlichen Vielfalt Nordwestdeutschlands.

Gefährdet sind nach der Untersuchung vor allem solche Spinnenarten, die sich auf besondere Lebensräume (Biotope) wie etwa Heidelandschaften, Moore, Feuchtwiesen oder Salzwiesen spezialisiert haben. Die Gefährdung betrifft bekanntermaßen auch viele andere Tiere sowie Pflanzen, die an diese Biotope gebunden sind. Die Ursache dieser Entwicklung liegt vor allem in menschlichen Eingriffen wie Entwässerung oder Abtorfung, aber auch im Fehlen früher weit verbreiteter extensiver Nutzungen (z.B. Schafhaltung in Heiden oder auf Trockenrasen) begründet.

Mit der Arbeit der Oldenburger Wissenschaftler wird eine Lücke bei der Gefährdungseinstufung dieser Tiergruppe geschlossen. Für fast alle Bundesländer liegen inzwischen Rote Listen für diese Tiergruppe vor. Da sich Webspinnen gut als Indikatorgruppe bei verschiedenen umweltrelevanten Planungsvorhaben eigneten, sei eine landesweite Einstufung der Gefährdung dringend erforderlich, so der Oldenburger Spinnenexperte Finch. Wie die Roten Listen anderer Tiergruppen könnte auch die Rote Liste der Webspinnen zukünftig als Entscheidungshilfe der Naturschutzbehörden bei der Ausweisung von Schutzgebieten dienen oder auch für die Effizienzkontrolle von Naturschutzmaßnahmen genutzt werden.

Er verbinde mit der vorliegenden Roten Liste die Hoffnung, dass es gelinge, die öffentliche Akzeptanz dieser Tiergruppe zu erhöhen und ihren Schutz in der Planungspraxis zu berücksichtigen. Letzteres sei in Süddeutschland bisher sehr viel besser gelungen als in den norddeutschen Bundesländern, so Finch.

Neben der Roten Liste haben die Oldenburger Wissenschaftler auch eine allgemeinverständliche Broschüre über die heimische Spinnenfauna geschrieben, die – ebenso wie die Rote Liste - vom Niedersächsischen Landesamt für Ökologie herausgegeben wird. Sie liefert einen kurzen Überblick zur Biologie, zur Ökologie und zum Körperbau insbesondere der heimischen Webspinnen. Ausgewählte Spinnengruppen werden exemplarisch, teils anhand von Bildern, vorgestellt. Neben Jagdstrategien und Netzbau wird auch auf ihre Lebensräume sowie auf weitere Aspekte der Spinnentierkunde eingegangen.

Das Heft "Spinnen – nicht nur ihre Netze sind faszinierend" umfasst 12 Seiten, die Rote Liste 20 Seiten. Beide Hefte sind erhältlich gegen Rechnung (je 2,50 € zzgl. Versandkostenpauschale) beim Niedersächsischen Landesamt für Ökologie, Postfach 101061, 31110 Hildesheim, Tel.: 05121/509-247/248/244, Fax: 05121/509-233, E-Mail: [email protected].

Information: www.nloe.de, ab 1.1.2005: www.nlwkn.niedersachsen.de
Weitere Informationen zum Thema Spinnen unter: www.arages.de

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