Ein Gen für Spinnen-Taster

(18.09.2015) Göttinger Entwicklungsbiologen finden Gen für die Kontrolle der Tasterentwicklung bei Spinnen

Die Entwicklung der Taster bei Spinnen, die sogenannten „Pedipalpen“, wird durch ein einziges Gen kontrolliert. Durch gezielte Manipulation dieses Gens namens „labial-1“ konnten Wissenschaftler des Zentrums für Molekulare Biowissenschaften (GZMB) der Universität Göttingen Spinnen ohne Taster und Spinnen mit vier statt zwei Tastern erzeugen.


Foto einer Spinnenlarve mit verdoppelten Pedipalpen � ein Gliedmaßen-Paar, das vorne am Kopf sitzt
Diese Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B erschienen.

Die Pedipalpen sind ein Gliedmaßen-Paar das vorne am Kopf sitzt. Neben weiteren Funktionen der Nahrungsaufnahme und der Paarung ist ihre Hauptaufgabe das Fühlen. Nun haben Göttinger Forscher den Hauptschalter zur Bildung dieser Taster gefunden.

Vor drei Jahren hat dieselbe Arbeitsgruppe bereits durch Manipulation eines anderen Gens die Zahl der Spinnenbeine verändert. „Als wir vor drei Jahren den Mechanismus zur Kontrolle der Beinzahl entdeckten, konnten wir erst durch die Manipulation des Mechanismus beweisen, dass er tatsächlich funktioniert“, sagt der Leiter der Studie Dr. Nikola-Michael Prpic-Schäper.

Dr. Matthias Pechmann, Erstautor der Studie, ergänzt: „Wir haben ‚labial-1‘ nun in einem anderen Körperabschnitt aktiviert und konnten dort die Bildung eines völlig intakten, zusätzlichen Pedipalpen-Paars auslösen.“

Wären solche Kontrollschalter auch beim Menschen bekannt, könnten zum Beispiel verlorene oder erkrankte Körperteile ersetzt werden. „Das ist leider noch Science Fiction. Dazu wissen wir über die genetische Kontrolle von Körperteilen und Organen noch viel zu wenig“, sagt Dr. Prpic-Schäper.

In der Fruchtfliege sind beispielsweise schon einige Kontrollgene gefunden worden, aber die Übertragung dieser Ergebnisse auf den Menschen ist schwierig. „Wenn man nur die Mechanismen in der Fliege kennt, dann kann man nur raten was davon im Menschen ähnlich funktioniert“, erklärt Dr. Pechmann.

„Kennt man aber die Mechanismen aus vielen verschiedenen Arten, dann ergibt sich ein Bild aus häufigen und seltenen Mechanismen.“ Die häufigen Mechanismen kommen dann mit großer Wahrscheinlichkeit in einer ähnlichen Form auch beim Menschen vor.

An immer mehr Arten wird geforscht. Ihre Zahl umfasst inzwischen Vertreter aus fast allen Tiergruppen. „Wir versuchen mit unserer Arbeit an Spinnen einen Teil dazu beizutragen, die Vielfalt der genetischen Kontrollmechanismen besser zu verstehen“, fasst Dr. Prpic-Schäper zusammen.

Publikation

Pechmann et al. (2015). Regressive evolution of the arthropod tritocerebral segment linked to functional divergence of the Hox gene labial. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 282, 20151162.doi: http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2015.1162



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