Berner Initiative will die gesamte Artenvielfalt der Spinnen bis in 30 Jahren erforschen

(27.01.2017) Es ist ein ambitiöses wie aussergewöhnliches Projekt: Kürzlich haben sich 34 Forschungspartner zu einer Initiative vereint, die zum Ziel hat, bis in 30 Jahren 95 Prozent aller Spinnenarten der Welt zu erfassen.

Vater der Idee ist der Berner Professor Wolfgang Nentwig. Das Naturhistorische Museum der Burgergemeinde Bern spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Gründung des virtuellen Forschungsinstituts. Die Initiative, die neue Wege in der Biodiversitäts-Forschung beschreiten will, sucht nun Geldgeber.

250 Jahre hat die Menschheit gebraucht, um 46 000 Spinnenarten zu beschreiben.

Eine Initiative aus Bern (Schweiz) will erreichen, dass in den nächsten 30 Jahren die restlichen Arten erforscht werden. «Wir gehen davon aus, dass bislang ungefähr die Hälfte der Arten entdeckt worden ist», sagt Professor Wolfgang Nentwig vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern.


Professor Wolfgang Nentwig von der Universität Bern

Nentwig ist der Vater einer unkonventionellen Forschungsinitiative: Die Association for the Promotion of Spider Research ist im Juni 2016 gegründet worden.

Unter den 34 Gründungspartnern finden sich Naturhistorische Museen, Universitäten und andere Forschungsinstitute aus der ganzen Welt, die sich im Bereich der taxonomischen Spinnenforschung engagieren. Gemeinsam haben sie das Virtual Institute of Spider Taxonomic Research gegründet – ein in der Forschungswelt ungewöhnliches Modell.

Spinnen – eine unbeliebte, aber wichtige Tiergruppe

«Wir müssen den Schutz der Biodiversität dringend beschleunigen», sagt Nentwig, daher seien innovative Ideen gefragt. Die taxonomische Forschung sei der erste Schritt zum Schutz der Biodiversität. Damit könnten Hotspots des Artenreichtums definiert werden, um ausgewählte Gebiete zu schützen.

Ein ähnliches Projekt, das dem Initiant als Vorbild dient, gründete sich vor Jahrzehnten zur Erforschung der Wallace-Linie, eine taxonomisch bedeutsame, biogeografische Linie zwischen Asien und Australien. Die Initiative will zwar den Schutz der gesamten Biodiversität erreichen, konzentriert sich aber auf die Erforschung von Spinnen.

«Diese Beschränkung ist sinnvoll und wichtig, weil Spinnentaxonomie weltweit eine einzigartige Konstellation aufweist», so Nentwig: eine grosse und exzellente wissenschaftliche Gemeinschaft, eine Referenz-Datenbank mit allen nomenklatorischen Informationen und eine Online-Sammlung der gesamten taxonomischen Literatur seit Beginn der Taxonomie in 1757.

Hier kommt das Naturhistorische Museum der Burgergemeinde Bern ins Spiel: Die Institution ist Betreiber des World Spider Catalog, der die komplette taxonomische Information seinen 3000 Mitgliedern frei zur Verfügung stellt.

Die schweizerische Gesetzgebung schafft die Voraussetzung dieses wissenschaftspolitisch relevanten Projektes, das jüngst von der renommierten Fachzeitschrift «Nature» als «ausserordentlich wertvolles Modell für den raschen Zugang zu taxonomischen Daten» Erwähnung fand.

Der Spinnenkatalog ermöglicht es auch Forschern aus Entwicklungsländern, Zugang zu wissenschaftlicher Literatur zu erhalten.

Dies ist wiederum eine Grundvorrausetzung, um das ambitionierte Ziel der Spinnen-Initiative zu erreichen. Denn gerade in Entwicklungsregionen gibt es noch viel zu erforschen, in Süd- und Lateinamerika, Afrika oder etwa in Indien.

Experten schätzen, dass weltweit bis zu 120 000 Spinnenarten existieren. Da sie in allen Ökosystemen auf dem Festland vorkommen und eine hohe Dichte aufweisen, stellen sie Schlüsselkomponenten von Ökosystemen dar.

Als Insekten-Räuber sind sie ein zentraler Regulator bei der natürlichen Kontrolle und stellen für die Landwirtschaft wichtige Nützlinge dar. Spinnen geniessen bei den Menschen zwar einen zweifelhaften Ruf, was aber objektiv nicht gerechtfertigt ist.

Geldgeber gesucht

Der Hauptzweck des Virtuellen Institutes besteht darin, junge Wissenschaftler wie Doktoranden und Postdoktoranden zu fördern.

Das Institut soll diese mit Stipendien für taxonomische Forschung unterstützen. Vergeben werden diese durch eine internationale Direktorengruppe, die aus den Partnern gewählt wird und ehrenamtlich arbeitet.

Zuerst braucht nun aber das Institut selber Mittel. Die Initianten gehen davon aus, dass 30 Millionen Schweizer Franken nötig wären, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen. «Da es sich um eine neuartige Form einer Forschungsinitiative handelt, entsprechen wir nicht den Kriterien der üblichen Förderinstrumente.»

Ansprechen will die Initiative in erster Linie Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen aus der Industrie, die Sponsoring betreiben wollen.

www.vinst.org



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