Schwänzeltanz ist für Honigbienen in manchen Kulturlandschaften nicht mehr hilfreich

(25.02.2019) Soziale Kommunikation im Bienenstaat: Bienen lernen zu beurteilen, welchen Nutzen die Informationen aus einem Schwänzeltanz bieten

Der Austausch von Informationen ist für Bienen – wie für andere soziale Insekten auch – ein wichtiger Faktor, um den Erfolg einer Kolonie zu sichern. Honigbienen besitzen dazu ein einmaliges Verhaltensmuster, das vermutlich bereits vor über 20 Millionen Jahren entstanden ist: den Schwänzeltanz.


Honigbiene beim Schwänzeltanz

Mit dem Schwänzeltanz teilt eine Biene ihren Schwestern in der Kolonie mit, wo eine qualitativ hochwertige Futterquelle zu finden ist. Der konkrete Nutzen dieser als Tanzsprache bezeichneten Kommunikation ist in den vergangenen Jahren jedoch infrage gestellt worden. Nun haben Biologen der Universität Lausanne und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mehr Klarheit in das Für und Wider des Bienentanzes gebracht.

„Zu unserer Überraschung haben wir festgestellt, dass Bienenvölker erfolgreicher Nahrung sammeln, wenn man ihnen die Tanzsprache wegnimmt“, teilt Dr. Christoph Grüter, Verhaltensökologe an der JGU, zu den Ergebnissen mit.

Ein Grund dafür könnte der durch menschliche Einflüsse veränderte Lebensraum sein. Grüter hat zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in Lausanne in mehrjährigen Experimenten die Bedeutung der Tanzsprache für den Kolonie-Erfolg untersucht.

Es gibt etwa 10 verschiedene Arten von Honigbienen, die sich über den Schwänzeltanz verständigen. Weit mehr, nämlich über 500 Arten hochsozialer stachelloser Bienen haben keine Tanzsprache zur Verfügung. Grüter wollte der Frage nachgehen, was der Gewinn des Schwänzeltanzes für eine Kolonie ist, vor allem in Anbetracht dessen, dass es sich um eine relativ zeitaufwendige Kommunikationsstrategie handelt. Ein Schwänzeltanz kann nur wenige Sekunden, aber auch bis zu 5 Minuten dauern.

Bei den Experimenten haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für einen Teil der Bienenvölker die Bedingungen so manipuliert, dass die Tanz-Bienen verwirrt wurden und dadurch desorientiert waren. Der Schwänzeltanz, der in so einer Umgebung aufgeführt wird, macht für die Zuschauerinnen keinen Sinn mehr.

Dazu mussten der Lichteinfall unterbunden und die Waben in eine horizontale Position gebracht werden, damit die Richtung der Schwerkraft nicht zur Orientierung zur Verfügung steht. Besonders wichtig war es aber, das Erinnerungsvermögen der Bienen zu berücksichtigen.

„Die Sammlerinnen haben ein sehr gutes Erinnerungsvermögen, sodass sie einen ergiebigen Futterplatz mehrere Tage lang wiederfinden“, erklärt Grüter. Das heißt für die Versuche wurde der Schwänzeltanz während 18 Tagen behindert, damit die Sammlerinnen nicht aufgrund ihrer Erinnerung zu den reichhaltigen Futterquellen fliegen.

Sammlerinnen sind ältere Bienen, die in ihrer letzten Lebensphase nicht mehr mit Arbeiten im Stock, sondern mit dem Sammeln von Nektar und Pollen befasst sind. Sie leben in der Regel nicht mehr länger als 18 Tage.

Honigbienen sind in schwieriger Umgebung ohne Schwänzeltanz-Infos effektiver

Von den Ergebnissen war das Biologenteam überrascht: Bienenstöcke ohne Schwänzeltanz waren aktiver und brachten mehr Honig ein als Bienenstöcke mit Tanzsprache. „Wir haben genau das Gegenteil gefunden, von dem, was wir erwartet hatten, nämlich dass die Tanzsprache wichtig ist“, so Dr. Robbie I’Anson Price, Erstautor der Studie.

„Wahrscheinlich verlieren die Bienen bei einem desorientierten Tanz das Interesse und machen sich auf eigene Faust auf die Nahrungssuche“, vermutet der Biologe. Die Unterschiede sind beachtlich: Bienen ohne Tanzsprache waren bei einem Flug 8 Minuten länger unterwegs und haben über den gesamten 18-tägigen Zeitraum 29 Prozent mehr Honig eingebracht als die Sammlerinnen aus der Gruppe mit Schwänzeltanz.

Für die Honigbienen – hier waren es Buckfast-Bienen, eine etwa 100 Jahre alte Zuchtform der Westlichen Honigbiene – kann es also von Vorteil sein, auf die soziale Kommunikation zu verzichten. Grüter vermutet, dass es dabei stark auf das Umfeld und das Nahrungsangebot ankommt. Wenn irgendwo ein großer Apfelbaum in voller Blüte steht, lohnt es sich, diese Information abzuwarten und den Standort zu erfahren.

Wenn Blütenpflanzen aber spärlich auf Balkonen oder Randstreifen an Straßen verteilt sind, ist es unter Umständen besser, frühzeitig den Stock zu verlassen und selbstständig zu sammeln. „Wir halten den Zeitgewinn für einen Hauptgrund für das beobachtete Verhalten“, so Grüter.

Bienen lernen vermutlich, den Informationswert eines Schwänzeltanzes einzuschätzen

Eine spektakuläre Entdeckung ist für die Forschenden die Beobachtung, dass die Bienen den Informationsgehalt eines Tanzes offenbar beurteilen können und das Interesse an einem desorientierten Tanz verlieren. „Sie merken eventuell, dass etwas nicht stimmt“, vermutet Grüter.

„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Mensch möglicherweise eine Umgebung geschaffen hat, an die die Schwänzeltanz-Sprache nicht gut angepasst ist“, schreiben die Autorinnen und Autoren in ihrer Studie, die aktuell in dem renommierten Fachmagazin Science Advances veröffentlicht wurde.

Grüter will dieser Vermutung, dass Bienen etwas über den Wert einer Tanz-Information lernen können, in Zukunft genauer nachgehen und außerdem die Experimente in der Mainzer Gegend unter unterschiedlichen Bedingungen wiederholen: in städtischen und ländlichen Gebieten sowie zu verschiedenen Jahreszeiten.

Christoph Grüter ist seit 2015 Arbeitsgruppenleiter am Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zuvor war er Arbeitsgruppenleiter am Departement für Ökologie und Evolution der Universität Lausanne, Schweiz.

Seine Gruppe untersucht die Organisation und Koordination von kollektiven Aktivitäten bei sozialen Insekten, wobei die Kommunikation bei Insektenkolonien eine zentrale Rolle spielt.

Publikation

Robbie I’Anson Price et al.
Honeybees forage more successfully without the “dance language” in challenging environments
Science Advances, 13. Februar 2019
DOI: 10.1126/sciadv.aat0450



Weitere Meldungen

Dr. Vincent Doublet, Biologe und Erstautor der Studie; Bildquelle: Daniela Stang

Varroamilben schaden Honigbienen doppelt: parasitische Milben begünstigen die Verbreitung opportunistischer Viren

Die Varroamilbe schädigt Honigbienen nicht nur durch ihr Parasitentum, sondern auch, weil Varroa-infizierte Bienenvölker eine höhere Belastung mit schädlichen Viren aufweisen als nicht-infizierte Völker
Weiterlesen

Die Interaktion von Hummeln mit Blüten wird deutlich effizienter, wenn die Blüten gemustert sind. Links ein Männchen der hellen Erdhummel, rechts eine Arbeiterin der dunklen Erdhummel.; Bildquelle: Anna Stöckl und Johannes Spaethe/Universität Würzburg

Blütenmuster machen Hummeln effizienter

Die Suche nach Nektar kostet Insekten viel Energie, sie müssen also möglichst effizient vorgehen. Bunte Muster auf den Blütenblättern helfen dabei kräftig mit
Weiterlesen

Querschnitt eines Nestes der Apis mellifera (Europäische Honigbiene / Westliche Honigbiene).; Bildquelle: Michael L Smith

Architektonische Meisterwerke von Honigbienen und Wespen

Obwohl die Evolution Honigbienen und soziale Wespen vor 179 Millionen Jahren getrennt hat, entwickelten beide Arten eine ähnliche Lösung für den Nestbau.
Weiterlesen

Platterbsen-Mörtelbiene; Bildquelle: Björn von Reumont

Erbgutanalyse beleuchtet Herkunft des Bienengifts

Bienen, Wespen und Ameisen gehören zur Gruppe der Hautflügler und injizieren bei einem Stich einen ganzen Cocktail an Giftkomponenten. Trotz ihrer immensen ökologischen und ökonomischen Bedeutung war bislang wenig über die Herkunft ihres Gifts bekannt
Weiterlesen

Wildbienen im Anflug auf eine Nisthilfe.; Bildquelle: Thünen-Institut/Lara Lindermann

Ehrenamt trifft Wissenschaft: Wildbienen in Nisthilfen bestimmen

Wildbienen und Wespen sind anhand ihrer Brutzellen bestimmbar. Ein neuer Ratgeber des Thünen-Instituts für Biodiversität unterstützt Interessierte jenseits aller Artenkenntnis dabei, Bestäuber-Insekten zu identifizieren
Weiterlesen

Honigbienen

Ganz und gar nicht faul: männliche Honigbienen (Drohnen)

In einer kürzlich in der Zeitschrift Animal Behaviour veröffentlichten Studie zeigten Forschenden, dass männliche Honigbienen (Drohnen) zeitweise die aktivsten Mitglieder des Bienenvolkes sind
Weiterlesen

Bienen

Wie das Geschlecht der Bienen festgelegt wird

Ein Forschungsteam der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) aus Biologen und Chemikern hat nun ein Schlüsselgen gefunden und den molekularen Mechanismus, der mit dem Gen verbunden ist
Weiterlesen

Prof. Dr. Christian Laforsch, Frederic Hüftlein M.Sc. und Dr. Matthias Schott (v.l.n.r.) in einem Labor des Lehrstuhls für Tierökologie I der Universität Bayreuth.; Bildquelle: UBT / Chr. Wißler

Dieselabgaspartikel schädigen Hummeln

Der Rückgang der Insekten bedroht weltweit viele Ökosysteme. Während die Auswirkungen von Pestiziden gut erforscht sind, fehlte es bisher an Erkenntnissen über die Folgen anderer anthropogener Schadstoffe
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen