Vandenbergh-Effekt: weiblicher Duft – ein Wachstumsturbo für junge männliche Mäuse

(06.06.2023) Werden weibliche Hausmäuse (Mus musculus) dem männlichen Uringeruch ausgesetzt, beschleunigt sich ihre sexuelle Entwicklung – die Wissenschaft nennt diesen Mechanismus Vandenbergh-Effekt.

Veterinärmedizinische Universität Wien

Diese positive Wirkung ist keine Einbahnstraße. Das fand nun eine soeben veröffentlichte Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien heraus: Männliche Jungmäuse profitieren demnach von weiblichem Uringeruch durch beschleunigtes Körperwachstum.

In ihrer Studie testete das Forschungsteam, ob die Exposition junger männlicher Mäuse gegenüber dem Urin von Weibchen ihr Wachstum und die Größe ihrer Geschlechtsorgane beeinflusst.

Dazu wurden drei Wochen alte männliche Hausmäuse 5x/Woche ein paar Tropfen weiblichem Urin über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg ausgesetzt, während es für die Kontrollgruppe nur normales Wasser war.

Stärkeres Wachstum, keine positiven Effekte auf Muskelmasse und Geschlechtsorgane

„Wir fanden heraus, dass die weiblichem Urin ausgesetzten Männchen deutlich schneller wuchsen und stärker zunahmen als die Kontrolltiere, obwohl alle Männchen mit der gleichen Menge Ernährung aufgezogen wurden“, so Studien-Erstautorin Sarah M. Zala vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni.

Allerdings konnten die Wissenschafter:innen keine Unterschiede in der Muskelmasse oder den Geschlechtsorganen der Männchen feststellen. Und die Exposition jugendlicher Männchen gegenüber männlichem Urin hatte keinerlei Einfluss auf ihr Wachstum.

Studien-Letztautor Dustin J. Penn vom KLIVV unterstreicht die Bedeutung der Studie: „Unsere Ergebnisse liefern nach unserem Kenntnisstand den ersten Beweis dafür, dass jugendliche männliche Mäuse ihr Wachstum beschleunigen, wenn sie dem Urin erwachsener Weibchen ausgesetzt werden.“

Vorteil ohne Nachteil: Keine schlechtere Immunresistenz

Weiters prüften die Forscher:innen, ob es einen evolutionären trade-off gibt, also das Erkaufen eines Vorteils durch einen Nachteil. Dazu untersuchte das Forschungsteam, ob das beschleunigte Wachstum der Männchen funktionelle Kompromisse bei der Immunresistenz gegenüber einer experimentellen Infektion mit sich bringt.

Zu diesem Zweck wurden die männlichen Jungmäuse einem bakteriellen Krankheitserreger (Salmonella enterica) ausgesetzt.

„Wir fanden keine Hinweise darauf, dass ein erhöhtes Wachstum negative Auswirkungen auf die Immunresistenz gegen Infektionskrankheiten hat. Bakterielle Clearance, Körpermasse und das Überleben während der Infektion entsprachen den Tieren aus der Kontrollgruppe“, so Dustin J. Penn.

Zugrundeliegende Mechanismen noch unklar

Die genaue Wirkweise des weiblichen Urins ist noch unklar, eine endokrin vermittelte Beschleunigung der Pubertät scheint jedoch denkbar. Als nützlich könnten sich die neuen Erkenntnisse für zukünftige Studien erweisen, die darauf abzielen, das Wachstum oder die sexuelle Entwicklung von männlichen Tieren mit natürlichen Methoden zu beeinflussen.

Um mehr über die Funktionsweise zu erfahren, sind laut den Forscher:innen nun weitere Studien erforderlich. Dadurch ließe sich beispielsweise feststellen, ob und wie sich die Urinexposition von Weibchen auf das Wachstum und die sexuelle Entwicklung von Männchen in einem natürlichen Kontext auswirkt.

Publikation

Der Artikel „Female scent accelerates growth of juvenile male mice“ von Sarah M. Zala, Brian Church, Wayne K. Potts, Felix Knauer und Dustin J. Penn wurde in „Scientific Reports“ veröffentlicht.



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